Der Drache des Nera: Die Legende vom Pestiferus Draco
Die bekannteste Legende aus dem Leben der Heiligen Felix und Maurus erzählt von einer monströsen Kreatur, die das Tal heimsuchte: einem Drachen, der jeden verschlang, der sich ihm näherte, und mit seinem pestilenzialischen Atem aus der Ferne tötete. Erschöpft baten die Bewohner die beiden Eremiten, sie von dem Untier zu befreien.
Nach langen Gebeten erschien Maurus ein Engel, der ihm verkündete, dass göttliche Gnade ihn in seinem Vorhaben leiten würde. So bat der Heilige seine Amme, ihm ein Mahl aus gekochtem Kohl zuzubereiten, nahm seinen Stab aus Kiefernholz und ein Werkzeug zum Spalten des Gesteins. Er pflanzte den Stab – der auf wundersame Weise Wurzeln schlug – und begann, den Felsen zu spalten. Vom Lärm geweckt, stieg der Drache – angekündigt durch einen fürchterlichen Gestank – aus der Höhle hervor.
Ab diesem Punkt unterscheiden sich die Versionen der Legende: Manche berichten, Maurus habe den tödlichen Schlag geführt; andere erzählen, Felix sei hinzugekommen und habe – „wie ein neuer David gegen Goliath“ – das Untier enthauptet. Der Körper wurde in den Nera geworfen, dessen Wasser drei Tage und drei Nächte blutete und sogar den Tiber rot färbte.
Jenseits der Legende: Symbolik und Deutung
Über ihre erzählerische Faszination hinaus birgt die Drachentötung eine doppelte symbolische Bedeutung: Sie steht sowohl für den Sieg des Christentums über das Heidentum als auch für die schwierigen Umweltbedingungen des Tales. In der Geschichte der Heiligen, die im Valdinarco lebten, überwiegt sicherlich der zweite Aspekt.
Der „Drache“ ist eine Metapher für den Fluss Nera selbst, der durch natürliche Barrieren (die Höhle) aufgestaut wurde, stagnierte und die Gegend in ein Sumpfgebiet verwandelte – was Malariafieber verursachte und die Luft stickig und ungesund machte, wie der Atem eines Drachens. Der Kiefernstock, der in den Händen des heiligen Maurus Wurzeln schlägt, wird so zum Symbol der Reinigung der Luft, während das Spalten des Felsens auf eine Arbeit der Trockenlegung hinweist. Auch das Mahl aus Kohl, das Maurus vor dem Kampf zu sich nahm, verweist nach der Überlieferung auf die antiskorbutischen Eigenschaften der Pflanze.
So erscheinen die Heiligen Felix und Maurus als „viri Dei“ (Männer Gottes) Zivilisatoren: Ihr Wirken beschränkte sich nicht auf die „Reinigung“ der Seelen, sondern sie befreiten die Bewohner des Tales von der Plage der Sümpfe und deren Krankheiten.
Wunderquellen und Volksfrömmigkeit
Neben der Drachenlegende verbindet die Überlieferung die beiden Heiligen mit einer Quelle, die als wundertätig galt und an jener Stelle entsprungen sein soll, an der Maurus den Felsen gespalten hatte. Um diese Quelle rankten sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Berichte über Wunder: Während das stehende Wasser (der Drache der Legende) Malariafieber verursachte, soll das Wasser der Quelle, mit Glauben getrunken, die Krankheit geheilt haben.
Unter den Frauen war es Brauch, den Kopf ihrer Kinder darin zu waschen, um sie von Krätze zu befreien. Abgesehen vom Glauben enthalten die Wasser geringe Schwefelanteile, die heilend bei Hautkrankheiten wirken. Noch im 18. Jahrhundert floss das Wasser direkt aus einer Höhlung unter dem Presbyterium der Kirche, verschlossen durch ein Eisengitter, das die Mönche schließlich nach außen verlegten, da die Quelle einen zweifelhaften Ruf erhalten hatte.
Aus einem Werk von 1458 über die Erzählkunst der Bewohner der Valnerina erfährt man, dass die Waschungen mit diesem Wasser von den sogenannten Lotores – Scharlatanen – geleitet wurden, die den Müttern versprachen, ihre Kinder würden, wenn sie mit dem wundertätigen Wasser des heiligen Felix gebadet würden, stark und gesund heranwachsen. Natürlich wurde das Wunder nur gegen eine großzügige Bezahlung gewährt – sei es in Geld oder in Form der besten Kleidung des Begünstigten.
Die Fassade: Die Legende in Stein gemeißelt
Die prächtige romanische Fassade der Kirche, mit der zentralen Rosette, eingerahmt von den vier Evangelisten unter dem Agnus Dei – das laut mündlicher Überlieferung den Blick auf die Stelle richtet, an der ein Schatz vergraben ist – erzählt mehrere Episoden aus dem Leben der beiden Eremiten.
Von links nach rechts:
- Die Höhle: Das erste Element zeigt die Behausung des Drachens, eine Höhle innerhalb eines Felsens mit wulstigen Ablagerungen – eine Darstellung des Sedimentgesteins dieser Region, auf dem auch die Abtei selbst errichtet wurde, genannt pietra sponga.
- Die Tötung des Drachens: Es folgt eine kleinere geflügelte Gestalt – ein Engel –, der dem heiligen Maurus beisteht, dargestellt im Akt, den Drachen mit einer Axt zu enthaupten.
- Das vorbildliche Leben des heiligen Felix: Während seines kurzen Lebens lebte Felix in Gemeinschaft mit den Engeln; er ist betend dargestellt, begleitet von zwei geflügelten Figuren.
- Wunderszene: Der heilige Felix erweckt den einzigen Sohn einer verwitweten Mutter zum Leben.
Das schlichte Innere: Ein Schiff, das ein mächtiges Presbyterium rahmt
Das Kircheninnere besteht aus einem einzigen Schiff, das in einem Presbyterium endet, das über eine siebentstufige Steintreppe erreichbar ist, begrenzt durch kosmateske Plutei mit Mosaikverzierungen.
Die Wände, fast völlig kahl, bewahren einige der ursprünglichen Fresken:
- Zwei drachentötende Heilige: Eine Ritterfigur, die mit dem heiligen Felix identifiziert wird, und der Erzengel Michael, der in der einen Hand die Waage der göttlichen Gerechtigkeit hält und mit der anderen seine Lanze gegen einen dämonischen Drachen richtet.
- Anbetung der Heiligen Drei Könige: Von einem unbekannten Maler aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschaffen, beeindruckt sie durch Figuren in mittelalterlicher Rittertracht – mit Sporen und Falknerhandschuhen – sowie durch ungewöhnliche Tiere wie Kamele und einen Affen.
- Segnender Christus und Engel: Ein Fresko aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, in der Apsiskalotte, zugeschrieben dem Meister von Eggi.
Als Zeugnis des Alters des Ortes sind im Boden zwei römische und eine frühchristliche Inschrift wiederverwendet, dazu die Grabplatten der Familien Medei und Campani, zweier der bedeutendsten Geschlechter von Castel San Felice.
Die Krypta mit dem Grab der heiligen Gründer
Zwei schmale Seitengänge unter der Altarstiege führen hinab zur kleinen unterirdischen Krypta – einem schlichten Raum mit Gewölben, getragen von einer zentralen Säule und drei kleinen Apsiden.
Dies war vermutlich das erste Gotteshaus, das von der klösterlichen Gemeinschaft um den heiligen Felix errichtet wurde. Hier befindet sich die Sarkophag aus rosafarbenem Stein, der der Überlieferung nach die sterblichen Überreste der beiden Heiligen und ihrer Amme barg.